Das Corona-Virus hat die Welt seit Wochen fest im Griff. Auch die Aktienmärkte leiden: In den letzten Wochen kam es zu Rekordverlusten. Es handelt sich um eine Situation, in der die nicht erst seit der anhaltenden Niedrigzinsphase verbreitete Unsicherheit zur Anlage des Stiftungsvermögens zusätzlich verstärkt wird. Dabei bieten Krisen auch Chancen.
Die oberste stiftungs- und steuerrechtliche Pflicht einer jeden Stiftung ist die dauernde und nachhaltige Erfüllung ihrer satzungsmäßigen, meist steuerbegünstigten Zwecke. Daraus ergibt sich die Aufgabe, durch die Anlage des Stiftungsvermögens ausreichende Erträge für die Zweckerfüllung zu erwirtschaften.
Gleichzeitig ist stiftungsrechtlich das Gebot der Vermögenserhaltung zu beachten; in der Praxis wird es allerdings allzu häufig überbewertet. Letztlich kommt ihm eine dienende Funktion zu, um die nachhaltige Zweckerfüllung abzusichern.
Insofern sind Beanstandungen der Stiftungsbehörden, das Grundstockvermögen habe sich verringert und müsse zeitnah ausgeglichen werden, gelassen zu betrachten. Weder kennt das Gesetz ein verbindliches Vermögensanlagekonzept noch nennt es den Zeitraum, in dem die Bestanderhaltung des Vermögens zu gewährleisten ist. Angesichts des „ewigen“ Anlagehorizontes einer Stiftung sind insbesondere Schwankungen von Kurswerten hinnehmbar.
Auch bei der Vermögensverwaltung bildet der „historische“ Stifterwille die oberste Handlungsmaxime: Ob und in welchem Umfang bestimmte Anlageformen in das Portfolio aufgenommen werden dürfen, ist somit Stiftungsgeschäft und Satzung zu entnehmen bzw. abzuleiten. Nicht selten lassen sich aus dem Stiftungszweck Anforderungen an Anlagestrategie und Kapitalerhaltung entnehmen. Daher kann eine mehr oder weniger risikoreiche Anlagepolitik erforderlich sein. Mitunter lassen sich auch aus der Höhe und Zusammensetzung des übertragenen Vermögens Hinweise zur Zulässigkeit bestimmter Anlageprodukte ableiten.
In der konkreten Entscheidungssituation verfügen die Mitglieder der zuständigen Stiftungsorgane in aller Regel über einen prinzipiell weiten – haftungsfreien – Ermessenspielraum. Sie müssen ihre Entscheidungen lediglich mit der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“, also „auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle“ der Stiftung treffen. Die verantwortlichen Entscheidungsträger haben das Stiftungsvermögen letztlich stets so anzulegen, dass das Verhältnis zwischen Rendite, Sicherheit und Liquidität unter Berücksichtigung der spezifischen Situation der Stiftung entsprechend austariert ist und die gewählte Anlagestrategie der langfristigen und weitreichenden Verwirklichung des Stiftungszwecks dient.
In der Praxis tragen nicht selten die Sorgen vor Sanktionen durch die Stiftungsaufsicht sowie vor persönlicher Haftung, psychologische Fallstricke und sich hartnäckig haltende Irrtümer über die gegebenen Spielräume zu operativen Fehlentscheidungen und einer unnötigen Risikoaversion bei. Dabei ist es gerade nicht so, dass Stiftungsgelder ausschließlich „mündelsicher“ angelegt werden dürfen, der Aktienanteil im Portfolio ein Drittel nicht übersteigen darf oder alternative Investments wie Hedge Fonds oder Private Equity Fonds für Stiftungen generell unzulässig sind.
Da es den risikolosen Zins nicht mehr gibt und Werterhalt und die Erwirtschaftung ausreichender Erträge etwa mit den bei Stiftungen immer noch verbreiteten festverzinslichen Wertpapieren heute schon und wohl auch langfristig nicht mehr möglich ist, bedarf es eines grundsätzlichen Umdenkens. So passen u. a. gerade – die vermeintlich risikobehafteten – Aktien als Sachwerte mit laufenden Ertragszahlungen sehr gut zu den Stiftungen mit ihrem Bedürfnis nach regelmäßigen Mittelzuweisungen. Der derzeitige „Corona-Crash“ kann etwa hilfreich sein, um Aktien von soliden – nachhaltig agierenden, qualitativ hochwertigen und voraussichtlich ausschüttenden – Unternehmen auf einem niedrigeren Einstiegsniveau zu erwerben. Eine Option, die Stiftungen durchaus in Erwägung ziehen sollten.
Bei allen Anlageentscheidungen sollte stets auf eine gute Diversifikation – also die Streuung des Vermögens über verschiedene Schuldner, Anlageinstrumente und auch unabhängige Finanzdienstleister – geachtet werden. Nur mit einem ausbalancierten Portfolio können Ertragschancen erhöht, Geldflüsse optimiert sowie Ausfall- und Verlustrisiken minimiert werden – auch in einer Krise.
Damit bieten sich grundsätzlich gerade auch Fonds für Stiftungen an, denn diese sind nicht nur diversifiziert investiert sondern werden zudem von Experten professionell und aktiv gemanagt und entlasten damit zu einem gewissen Grad nicht zuletzt auch die Stiftungsverantwortlichen. Sie bleiben aber weiterhin in ihrer Verantwortung, auch die externen Vermögensverwalter regelmäßig zu kontrollieren. Die möglichen zusätzlichen Kosten für das externe Fondsmanagement müssen dabei im Verhältnis zu den jeweiligen Vorteilen bewertet werden.
Wertschwankungen – in volatilen Märkten oder aufgrund von Krisen – sind normal. Mit ihrem grundsätzlich langfristigen Anlagehorizont können gerade Stiftungen entsprechende Entwicklungen letztlich gut „aushalten“. Der Vermögenserhalt – ob nominal oder real – unterliegt keiner Jährlichkeitsbetrachtung. So sind insbesondere vorübergehende Wertverluste hinzunehmen, vor allem wenn die langfristige Planung erkennen lässt, dass das Kapital innerhalb des festgelegten Konzepts mittelfristig erhalten bleiben dürfte und zudem weiterhin ausreichend Erträge generiert werden.
Selbst wenn sich aus einer zulässigen (risikoreichen) Anlage ein Verlust realisiert, handelt es sich nicht um eine steuerlich schädliche Mittelverwendung und auch um keinen unzulässigen Einsatz gemeinnützigkeitsrechtlich gebundener Vermögensgegenstände. Auch ein Totalverlust gefährdet den Status der Steuerbegünstigung nicht. Denn selbst bei sorgfältigster Auswahl von Anlageoptionen lassen sich negative Entwicklungen – wie wir sie gerade erleben – nie komplett ausschließen. Wichtig ist, dass jede Anlageentscheidung ausreichend dokumentiert wird, um nachvollziehen zu können, dass die Entscheidung aufgrund ausreichender rationaler Informationen zum Wohle der Stiftung getroffen wurde.
In jedem Fall sollten Affekthandlungen vermieden, mögliche Vermögensverluste durch die vorausschauende Nutzung der steuerlichen Möglichkeiten zur Rücklagenbildung antizipiert werden.
Anlagerichtlinien, die die essenziellen Grundsätze der Vermögensbewirtschaftung regeln, sind ein unerlässliches Instrument für jede Kapitalstiftung. Sie dienen dazu, die meist recht allgemein gehaltenen bzw. gänzlich offenen Aussagen der Satzung zur Vermögensverwaltung der Stiftung zu konkretisieren. Indem sie die Ziele der Stiftung als Investorin sowie die Pflichten und Handlungsspielräume der internen Entscheidungsträger aber auch der externen Bankberater und Vermögensdienstleister festlegen und das Risikomanagement innerhalb der Vermögensverwaltung beschreiben, schaffen Anlagerichtlinien eine verbindliche Grundlage für zielorientierte, strukturierte und nachvollziehbare Anlageentscheidungen. Damit dienen sie letztlich auch dazu, Haftungsrisiken zu minimieren.
Ein allgemein verbindliches Patentrezept gibt es nicht, denn so bunt wie die Stiftungslandschaft ist, so unterschiedlich sind auch die Anforderungen jeder einzelnen Stiftung an die Verwaltung ihres Vermögens.
Die Vermögensverwaltung von Stiftung war und ist eine anspruchsvolle Aufgabe – nicht nur in Zeiten der Corona-Krise. Die Satzung der Stiftung sowie das allgemeine Stiftungszivil- und Gemeinnützigkeitsrecht geben ihr einen Rahmen. Aufgrund fehlender gesetzlicher Vorgaben verfügen die verantwortlichen Entscheidungsträger aber über einen nicht unerheblichen haftungsfreien Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen sie die nicht vollständig auflösbaren Widersprüche in Bezug auf die Anlageziele bestmöglich austarieren müssen. Die Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt fordern dabei eine Abkehr von den traditionellen Anlagekonzepten hin zu einem diversifizierten Portfolio mit Mut auch zu mehr Risiko. Regelmäßig kritisch überprüfte Anlagerichtlinien bilden dabei die Grundlage für möglichst rationale Entscheidungen und minimieren damit das Haftungsrisiko.
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Dr. Christoph Mecking
Rechtsanwalt
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