Dr. Stefan Fritz und Dr. Christoph Mecking (Gastautoren)
Unmittelbar nach der Totalrevision des dortigen Stiftungsrechts, dem U-Turn von der Schwarzgeld- zur Weißgeldstrategie, wurde es zunächst ruhig um die Liechtenstein-Stiftung. Heute, rund 15 Jahre später, hört man auch in den Nachbarländern wieder mehr von ihr. Im Herbst 2023 veröffentlichte der Liechtenstein Finance e.V., ein Zusammenschluss der liechtensteinischen Finanz- und Beratungsindustrie, die Ergebnisse einer Befragung von Stiftungsverantwortlichen in der DACH-Region zu „Entscheidungsfaktoren bei der Stiftungsgründung“.[1] Zentrales Thema ist die Standortwahl im deutschsprachigen Raum. In Deutschland wird vor allem die attraktive Zielgruppe der politisch und wirtschaftlich verunsicherten Unternehmer/-innen teils aggressiv umworben. Zuletzt fiel ein liechtensteiner Anbieter unangenehm auf, der der bundesrepublikanischen Anwaltschaft en gros die Qualifikation in Fragen der internationalen Besteuerung absprach und gleichzeitig die Steuerlast der deutschen Familienstiftung deutlich überzeichnete. Doch wo mit irreführenden Argumenten unverhohlen an die vermeintliche Gier der Mandantschaft appelliert wird, ist der Haken meist nicht weit. Vor diesem Hintergrund folgt hier ein kritischer Blick hinter die Kulissen des liechtensteiner Stiftungsstandortmarketings.
Stabilität und Privatautonomie
Stabilität und Privatautonomie werden im Kontext der veröffentlichten Umfrageergebnisse als Erfolgsfaktoren des Stiftungsstandorts Liechtenstein genannt. Doch die Privatautonomie stößt im Fürstentum dort an Grenzen, wo dessen eigene wirtschaftliche Interessen berührt sind. Wer in Liechtenstein eine Stiftung errichtet, muss nach dem geltenden Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) zwingend eine/-n dort ansässigen Rechtsanwalt/Rechtsanwältin oder eine/-n dort lizenzierte/-n Treuhänder/-in in das Geschäftsführungsorgan, den Stiftungsrat, aufnehmen. Aus Sicht des deutschen Stiftungsrechts wäre es schwer vorstellbar, den Stiftungswilligen Vorgaben zur Besetzung der Gremien ihrer Stiftung zu machen und den in Frage kommenden Personenkreis derart einzugrenzen. Die Auswahl der Organmitglieder gehört hierzulande seit jeher zu den grundrechtlich geschützten Stifterfreiheiten. Die Stiftenden können die Organe ihrer Stiftungen grundsätzlich besetzen, mit wem sie wollen – einschließlich sich selbst.
Steuern und Kosten
Gerne wird von liechtensteiner Seite auf die Steuerbelastung der deutschen Familienstiftung hingewiesen. Mit der obligatorischen Beschäftigung mindestens eines Treuhänders gibt es aber auch im Alpenstaat de facto eine Zwangsabgabe für Stiftungen. Denn erfahrungsgemäß arbeiten die meisten Dienstleister/-innen dort nicht ehrenamtlich. Ihre Honorare sind – anders als Steuern – zwar verhandelbar, können aber in der Gesamtbetrachtung mit Stundensätzen zwischen 300 und 1.000 CHF durchaus ins Gewicht fallen. In einem öffentlich gewordenen Fall war von einem Salär von angeblich 50.000 Euro pro Monat und Treuhänder die Rede.
Governance
In Liechtenstein wie in Deutschland ist es in erster Linie Sache der Stifterin/des Stifters, durch einen klugen Aufbau der Strukturen und Prozesse dafür zu sorgen, dass die Zweckerfüllung stets über den Partikularinteressen der handelnden Personen steht. In Liechtenstein wird die Governance aber von vorneherein mit einer Unwucht im Machtgefüge zu Gunsten der Berufstreuhänderschaft versehen. Das fängt schon bei der Gründung an. Wer sich als Deutsche/-r auf eine liechtensteiner Lösung einlässt, schränkt den Kreis der Beratenden von vorneherein auf einen relativ kleinen Zirkel auf solche Gestaltungen spezialisierter Kanzleien ein. Um eine entsprechende Gestaltung zu gewährleisten, sind aber zumindest die Treuhänder selbst nicht unbedingt die besten Ratgeber. Insbesondere die Stiftenden, die ihr Vermögen vor Ansprüchen von Gläubigern, (Ex-)Ehepartnern oder Kindern schützen möchten, und denen sich das Fürstentum unter dem Stichwort „Asset Protection“ ganz besonders anbietet, neigen dazu, sich auf die Risiken von außen zu fokussieren. Dabei wird leicht übersehen, dass mit den Zwangstreuhändern ein mindestens ebenso großes Governance-Risiko im Inneren der Stiftung besteht.
Rechtssicherheit
„Die Rechtssicherheit steht über allem“, konstatiert Dr. Patriz Ergenzinger, Partner im Bereich Private Client Services und Familienunternehmen bei Ernst & Young im Kontext der Umfrage. Genau hier scheint aber eine Schwachstelle des Stiftungsstandorts Liechtenstein zu liegen. Zu dieser Einschätzung gibt zumindest die höchstrichterliche Rechtsprechung im Fürstentum Anlass. Der Begünstigte der von einem Deutschen in Liechtenstein errichteten Stiftung hatte sich gerichtlich gegen seine Abberufung als Stiftungsratsvorsitzender zur Wehr gesetzt – und war damit 2022 letztinstanzlich vor dem Vaduzer Staatsgerichtshof gescheitert. Begründung: In seiner Rolle als Stiftungsratsmitglied bestehe der Anschein einer Interessenkollision. Anlass dafür war eine – am Ende erfolgreiche – Klage der Stiftung auf Rechnungslegung gegen einen Bevollmächtigten. Der abgesetzte Stiftungsrat hatte in der betreffenden Abstimmung im zweiköpfigen Stiftungsrat für die Klage gestimmt. Nach Auffassung der Gerichte im Fürstentum hätte er sich aber enthalten müssen, weil er als Begünstigter der Stiftung mittelbar von einer eventuell auf das Ergebnis der Rechnungslegungsklage gestützten Leistungsklage hätte profitieren können. Eine tatsächliche Pflichtverletzung, wie sie in Deutschland für eine Abberufung erforderlich wäre, lag hingegen nach einhelliger Auffassung nicht vor. „Im Ländle regiert Richter Kafka“, heißt es dazu in der NZZ am Sonntag. Keine Stifterin und kein Begünstigter, der auch eine Gremienfunktion innehat, kann sich noch sicher sein, ob er in dieser Funktion nicht den Anschein einer Interessenkollision erweckt. Denn diese ist bereits in der Konstellation angelegt. Dies alles stärkt wiederum die Position der Berufstreuhänder. Sollte ein begünstigter Stiftungsrat eine unliebsame Entscheidung treffen wollen, etwa den Wechsel des Standorts oder des Treuhänders aus Kostengründen, lässt er sich ganz elegant vor die Tür setzen.
Fazit
Die Ergebnisse der Standort-Umfrage von Liechtenstein Finance sprechen nicht für die grundsätzliche Überlegenheit eines Stiftungsstandorts im deutschsprachigen Raum, sondern geben zu einer sehr differenzierten Betrachtung unter den Gesichtspunkten Wirtschaftlichkeit, Governance und Rechtssicherheit für jedes einzelne Stiftungsvorhaben Anlass.
Eine Langfassung dieses Beitrags ist unter:
abrufbar.
[1] https://finance.li/studie/
Dr. Stefan Fritz
ist seit 2016 hauptberuflich als Stiftungsgeschäftsführer tätig. Zuvor beriet er für eine Geschäftsbank Stifter/-innen und Stiftungskunden. Daneben ist der im Stiftungsrecht promovierte Jurist langjährig als Dozent und Fachautor an der Schnittstelle zwischen Stiftungsrecht und -vermögen aktiv. Unter anderem setzte er die Controlling- und Governance-Software „Stiftungscockpit“ auf.
Dr. Christoph Mecking
geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Stiftungsberatung und der Firma LEGATUR, Rechtsanwalt in eigener Kanzlei, die bei allen Fragen in Zusammenhang mit gemeinnützigen Körperschaften berät, sowie Mitherausgeber des Fachmagazins Stiftung&Sponsoring. Er ist Dozent an der Akademie Deutscher Genossenschaften.