In der Bundesrepublik Deutschland ist in den vergangenen Jahren die Anzahl rechtsfähiger Stiftungen deutlich gestiegen, ebenso die Höhe des durch sie verwalteten Vermögens. Stiftungen liegen im Trend zwischen Tradition und Moderne. Sie treten auf als Mäzene von Kunst und Kultur, im Sport und in der Bildung. Überall dort, wo der Staat hoheitliche Aufgaben „vernachlässigt“ und die Bereitstellung von Geldern zurückfährt, springen Stiftungen ein – mit beachtlicher Initiative und engagierten Bürgern.
Mit der wirtschaftlichen Bedeutung von Stiftungen wächst aber auch die Verantwortung, die ihre Vorstände und Kontrollgremien übernehmen. Staatliche Aufsicht und zuletzt auch die Rechtsprechung haben die Maßstäbe an professionelle Verwaltung, Sorgfalt und Dokumentationspflichten angezogen. Vor Begeisterung um die gemeinnützige Sache und im persönlichen Einsatz der Beteiligten werden oftmals gesetzliche Pflichten nicht ausreichend beachtet. Das Risiko einer persönlichen Haftung für Mitglieder im Stiftungsvorstand, für Kuratoren, Beiräte etc. wird allzu leicht unterschätzt. Engagierte Freunde im Stiftungsvorstand können so schnell zu Gegnern werden mit deutlichen Interessensunterschieden. Nicht selten ist zu beobachten, dass das Engagement um die gute Sache in wechselseitigen Schuldvorwürfen endet.
Das Beispiel einer verunglückten Kapitalanlageentscheidung soll einige rechtliche Gesichtspunkte hierzu verdeutlichen: Das Vermögen der S-Stiftung besteht weitgehend aus Kapitalvermögen. Im dreiköpfigen Vorstand (Vorstandsmitglieder: A, B und C) ist C für Entscheidungen in Kapitalanlagen verantwortlich. Die Investitionsentscheidung, die C in Abstimmung mit dem Gesamtvorstand und auf Empfehlung eines Bankberaters trifft, stellt sich als unglücklich dar; die Stiftung verliert rd. EUR 500.000 durch Kursverluste. Als C sechs Monate später krankheitsbedingt ausscheidet und Z in den Vorstand nachrückt, wirft Z die Frage auf, ob und inwieweit die Stiftung den C für die Verluste haftbar machen kann.
Für Pflichtverletzungen im Rahmen ihrer Geschäftsführungstätigkeit haften Vorstandsmitglieder verschuldensabhängig nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen in § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 86, 27 Abs. 3, 664 ff. BGB. Die Haftung besteht gegenüber der Stiftung; daher spricht man von Binnenhaftung (Haftung gegenüber der Stiftung). Besteht ein Anstellungsvertrag, kann die Organhaftung zusätzlich auch auf eine schuldhafte Verletzung der vertraglich begründeten Pflichten aus dem Anstellungsverhältnis gestützt werden.
Stiftungsvorständen wird bei unternehmerischen Entscheidungen im Rahmen der sog. Business-Judgement-Rule – ebenso wie Verantwortlichen wirtschaftlich tätiger Unternehmen – ein weitgehend haftungsfreier Ermessensspielraum eingeräumt. Zu den unternehmerischen Entscheidungen zählen nicht nur die Auswahl von Förderschwerpunkten und Projekten und die Einwerbung von Spenden und Zustiftungen, sondern auch Entscheidungen über Kapitalanlagen. Geschäftsführungsentscheidungen erfolgen nach Zweckmäßigkeitserwägungen und sind häufig unter Unsicherheit zu treffen. Folglich dürfen Vorstände sich entscheiden, ohne dass dies direkt eine persönliche Haftung auslöst. Auch das Gemeinnützigkeitsrecht erkennt diesen Vertretbarkeitsspielraum an.
Eine Pflichtverletzung liegt daher nicht vor, wenn ein Stiftungsvorstand annehmen durfte, auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln. Erforderlich ist vor allem eine sorgfältige Vorbereitung der Entscheidung, die im Ernstfall auch dokumentiert ist. Daraus folgt, dass Verluste im Stiftungsvermögen (z. B. Buchverluste durch Abschreibungen auf Aktien und Wertpapiere oder realisierte Verluste aus der Veräußerung von Anlageobjekten) für sich genommen nach herrschender Ansicht keine Pflichtverletzung begründen. Eine Haftung setzt vielmehr voraus, dass der Vorstand die Grenzen eines umsichtig und vernünftig Handelnden verlässt, indem er Anlageentscheidungen bspw. ohne sorgfältige und umfassende Informationsgrundlage trifft oder nicht über ausreichende berufliche und betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Kompetenzen verfügt und keinen (unabhängigen (!)) Fachmann in Anlagegeschäften hinzuzieht. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht hat vorgeschlagen, klarstellend die sog. Business-Judgement-Rule im BGB zu kodifizieren.
Stiftungsvorstände haften grundsätzlich für jedes Verschulden (§ 276 BGB). Allerdings beschränkt § 31a BGB die Binnenhaftung eines Vorstandsmitglieds auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzungen, wenn ein Mitglied entweder unentgeltlich tätig ist oder höchstens eine jährliche Vergütung von EUR 720 erhält. Die Grenze von EUR 720 lehnt sich an den steuerlichen Ehrenamtsfreibetrag nach § 3 Nr. 26a EStG an. Im Übrigen kann die Stiftungssatzung zusätzliche Haftungsprivilegien aussprechen. Der Umfang solcher Gestaltungsmöglichkeiten in der Satzung ist im Einzelfall jedoch höchst streitig. Jedenfalls dürfte eine Haftungsfreistellung für jegliche Form des Verschuldens – also auch für vorsätzliches Handeln – nicht möglich sein.
Bei Kollegialorganen – wie hier im dreiköpfigen Stiftungsvorstand – trifft die Pflicht zur Vermögensanlage grundsätzlich den gesamten Stiftungsvorstand, d. h. jedes Organmitglied gleichermaßen. Sind mehrere Organmitglieder für einen Schaden verantwortlich, haften sie nach § 421 BGB als Gesamtschuldner. Eine klare Aufgabenverteilung im Vorstand – z. B. durch eine Geschäftsordnung – ist empfehlenswert und kann im Einzelfall Haftungsrisiken deutlich verringern. Werden so Geschäftsführungsbereiche konkret zugewiesen, haftet i. d. R. nur dieses Organmitglied für Pflichtverletzungen in seinem Zuständigkeitsbereich. Allerdings besteht eine Überwachungspflicht. Von Zeit zu Zeit muss man sich über die Tätigkeit seiner Organkollegen unterrichten und insbesondere wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen auf die Einhaltung der Vorstandspflichten drängen.
Hat nicht nur der Stiftungsvorstand eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen, sondern auch ein Kontrollorgan versagt und wurde bspw. nicht hinreichend auf eine gebotene Änderung der Geschäftspolitik und der Anlagerichtlinien gedrängt, kann es zu einer gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsorgans kommen. So haben dies zuletzt der BGH und das OLG Oldenburg entschieden.
Fehlt es – wie im Ausgangsfall – an einem besonderen Aufsichtsorgan, das kraft Stiftungssatzung zur Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber dem Stiftungsvorstand berufen ist, hat der Stiftungsvorstand selbst Ersatzansprüche der Stiftung gegen einzelne Vorstandsmitglieder geltend zu machen. Im Ausgangsfall muss die Stiftung prüfen, ob und inwieweit sie C in Anspruch nehmen kann. Zusätzlich hat Z prüfen zu lassen, ob daneben auch die noch im Vorstand tätigen Mitglieder A und B eine Pflichtverletzung trifft, für die sie haften. Die bisherigen Freunde im Stiftungsvorstand werden so zu misstrauischen Gegnern. Kommt der Stiftungsvorstand aber dieser Pflicht zur Eigenkontrolle nicht nach, setzt er sich selbst einem Haftungsrisiko aus und die zuständige Stiftungsaufsicht kann und muss ggf. eingreifen.
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass Ehrenamtliche nicht haften. Das Gegenteil ist richtig: Nur für vergleichsweise wenige ehrenamtlich engagierte Bürger gilt der Schutzschirm der gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Haftungsprivilegien. Die Business-Judgement-Rule schafft eine erfreuliche Erleichterung: Damit sind unternehmerische Entscheidungen nur aus einer ex ante Perspektive gerichtlich überprüfbar. Unternehmerische Entscheidungen sollten stets nur auf Grundlage angemessener und gut dokumentierter Informationen zum Wohl der Stiftung getroffen werden. Sachfremde Interessen dürfen in die Entscheidungsfindung nicht einfließen.
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Dr. Gerrit Ponath
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)
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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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